Unsere Eindrücke von Kapstadt: erstes Reiseziel in Südafrika
Unsere Eindrücke von Kapstadt: erstes Reiseziel in Südafrika
Kapstadt ist neben Pretoria und Bloemfontein eine der drei Hauptstädte Südafrikas und für uns der allererste Stopp unserer Weltreise. Damit hat diese Stadt auf Anhieb einen besonderen Platz in unseren zukünftigen Reisegeschichten. Und mit Südafrika landen wir zum allerersten Mal auf dem Kontinent Afrika. Daher: doppelter Bonus!
Kapstadt (auch als „Mother City“ bezeichnet) hat über 4,6 Millionen Einwohner und ist ein Ort mit mindestens zwei Gesichtern. Da uns die gesamte Gegend rund um das Kap der guten Hoffnung interessiert hat, war die Stadt ein logischer erster Halt auf unserer Route quer durchs Land. Und wir haben uns darauf gefreut die unterschiedlichen Viertel Kapstadts zu entdecken. Von Woodstock (Graffiti & Streetart) über das bunte Bo-Kaap bis hin zur schicken Waterfront.
Und so streiften wir für zwei Wochen durch Kapstadt: von den Traumstränden und der unglaublichen Bergkulisse bis hin zu den endlosen Townships, durch die wir regelmäßig durchfuhren. Ausgelassene Stimmung auf einer Champagner-Bootstour im Kontrast zur harten Realität der Obdachlosen, die neben der Straße campierten, als wir heimliefen. Wenn wir also gefragt werden, wie wir es in Kapstadt (*Fokus liegt beim Beitrag auf der Stadt und nicht auf der gesamten Region!) fanden, müssen wir erst ein bisschen ausholen. Denn es gibt für uns keine kurze, einfache Antwort.
Unsere Landung in Kapstadt & der erste Eindruck
Wir sind am 06.10.2022 gegen Mittag im Cape Town International Airport gelandet und haben bereits vom Flugzeug aus die beiden Extreme gesehen. Beim Landeanflug konnten wir einen Blick auf die Berge und die traumhaften Strände der Stadt erhaschen. (Und auch beim Helikopterflug wenige Tage später sahen wir die bekannten Highlights Kapstadts von oben: die 12 Apostel, den Tafelberg, Lionshead und Signal Hill. Die große Arena des Capetown Stadiums, die umliegende Waterfront sowie die Luxus-Viertel rund um den Clifton-Beach.)
Beim Landen wurden immer mehr Einzelheiten der anderen Seite Kapstadts sichtbar. Umso tiefer wir mit dem Flugzeug sanken, desto mehr Details der Slums von Gugulethu kamen in Sicht, die sich in einem ungekannten Elend bis an die Zaungrenze des Airports erstreckten. Wellblechhütte neben Wellblechhütte.
Wer diese beiden Eindrücke schon beim Landen am internationalen Flughafen erlebt hat, kann sich bereits ein gutes Bild vom Lebensalltag in Kapstadt machen. Villen im Wert von zig Millionen stehen hier in den Edelvierteln, während nur knapp zweihundert Meter weiter die notdürftigen Behausungen der Ärmsten sich dicht an dicht drängen.
Die Lebensrealität in Cape Town – knapp 30 Jahre nach Ende der Apartheid
Die, auch 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid, hauptsächlich weiße Oberschicht flaniert über das satte Grün des Golfplatzes nahe dem Capetown Stadium. An dessen Zaun (der natürlich mit Stacheldraht und Elektro-Trafo vor Einbrüchen gesichert ist) haben sich die Obdachlosen einfachste Unterkünfte aus Pappe und Zelten gebaut. Neben dem schicken Tennisplatz in der Nähe campiert eine Familie mit zwei kleinen Kindern unter einer Plastikplane. Die Mutter hängt die Wäsche über der Umzäunung auf. Die beiden Kinder kicken mit dem Vater eine Konservendose hin und her.
Diese soziale Ungerechtigkeit und der systemische Rassismus (nur 0,89 % der von Armut betroffenen Menschen ist weiß) ist für uns beide nur schwer zu ertragen. Uns ist klar, dass sich eine Gesellschaft nicht vollständig in nur 30 Jahren verändern kann. Aber andererseits wünschen wir uns so sehr, dass es schneller gehen würde. Und neben diesem vorherrschenden Problem sind auch Gewalttaten, Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt an der Tagesordnung. (In Südafrika gibt es täglich circa 60 Morde, 6x mehr als in den USA. Zudem gibt es circa 42000 Vergewaltigungen pro Jahr. Das sind im Schnitt 115 Vergewaltigungen am Tag.)
Wir lasen im Apartheid Museum in Johannesburg später unter anderem folgenden Text (*aus dem Gedächtnis heruntergeschrieben): „Ein Mädchen, das in einem Township geboren wurde, hat eine höhere Chance vergewaltigt zu werden als lesen und schreiben zu lernen.“
Ein „Kriminalitätsproblem“ in Südafrika – nicht eher ein „Armutsproblem“?
Zur Reisevorbereitung haben wir einige Blogs mit Beiträgen zum Thema „Sicherheit in Kapstadt“ durchgelesen. Denn uns war natürlich die hohe Kriminalitätsrate in Südafrika bekannt und wir wollten uns ausreichend vorbereiten. Schnell stießen wir auf die unterschiedlichsten Ratschläge. Zum Beispiel „In Woodstock kann man tagsüber problemlos allein herumspazieren, auch durch die Nebengassen“ vs. „Woodstock am besten ohne Guide gar nicht erst betreten!“.
Wir gehen eine solche Reise einerseits nicht naiv an und bereiten uns ausreichend vor. Andererseits wollen wir trotzdem nicht voreingenommen sein. Wir wollen uns nicht wegen irgendwelcher Vorurteile abkapseln, sondern mit den Einheimischen ins Gespräch kommen. Denn diese Begegnungen mit anderen machen für uns eine Reise erst komplett.
Um mit anderen in Kontakt zu treten, braucht man ein gewisses Grundvertrauen. Und dieses ist für uns im Regelfall sehr schwer zu erschüttern. Zum Beispiel wurden wir in Vietnam von einem Taxifahrer beklaut, was eine üble Erfahrung war. Aber das hat uns nicht davon abgehalten danach wieder allen Menschen erstmal zu vertrauen. Warum andere dafür bestrafen, was ein Einzelner getan hat? Das hätte überall passieren können und hat nichts mit der Nationalität zu tun, sondern mit der Hoffnungslosigkeit einer Person.
In Kapstadt hatten wir im Gegensatz zu unserer Einstellung bei anderen eine vollkommen andere Grundstimmung vorgefunden. Dort wurden wir von jedem gewarnt: „Habt ihr euer Auto sicher verriegelt?“ oder „Ich kann euch nicht empfehlen zu laufen, auch wenn es nur 5 Minuten sind. Bitte nehmt ein Taxi!“. Keiner scheint dem anderen zu vertrauen. Jeder schottet sich und sein Haus mit Hab und Gut ab. Mit hohen Mauern, Stacheldraht, Alarmanlagen und Schildern „Dieses Grundstück wird von Sicherheitsfirma XY bewacht“ und im Ernstfall mit bewaffneten Security-Kommandos.
Wir hatten zusammengefasst das Gefühl, dass hier nur das Symptom, nämlich die hohe Kriminalitätsrate, versucht wird einzugrenzen und zu beschränken. Die Wurzel davon, die Armut und Perspektivlosigkeit, die die Menschen dazu zwingt kriminell zu werden, ist sehr viel hartnäckiger. Bis dieses Problem langfristig und flächendeckend gelöst ist, wird noch viel Zeit vergehen.
Unsere Erfahrungen mit Scams & unsicheren Vierteln in Kapstadt
Wir waren beim Frühstück in einem Café und spazierten anschließend zu unserem Auto zurück. Dabei wurden wir plötzlich von einem Mann in Security-Uniform mit einem Walky Talky in der Hand angesprochen. Wegen dem stattfindenden Marathon dürften wir uns hier nicht aufhalten und müssten eine kostenlose „Permit“ beantragen. Dabei wurde er recht drängend und sagte immer wieder, dass Axel (der den Rucksack trug) mitkommen müsse. Das kam uns dann doch komisch vor. Und als wir ihn nach einem Dienstausweis fragten, konnte er uns keinen zeigen.
Gott sei Dank haben wir uns von unserem Bauchgefühl leiten lassen, sind schnell ins Auto gestiegen und haben es von innen verriegelt. Wir konnten losfahren und die unangenehme Situation hinter uns lassen. Nachdem wir später anderen davon erzählten, erfuhren wir, dass einige auf diese Betrugsmasche in Kapstadt hereingefallen wären. Sie folgten dem „Securityguard“ in eine Nebenstraße und wurden ausgeraubt. Mit diesem Wissen fühlten wir uns noch unwohler in dieser Stadt und waren anderen gegenüber auf einmal misstrauisch.
Als wir in Woodstock mit einer geführten Graffiti-Tour durch die Straßen zogen, haben wir wunderbare Streetart von jungen Künstlern und internationalen Stars der Szene gesehen. Zwischen hippen Cafés und Geschäftsräumen der Start-Ups drängten sich viele bunte Graffitis. Zum anderen waren aber (gerade in den Seitenstraßen) reihenweise baufällige, heruntergekommene Häuser zu sehen, vor deren Türen sich der Müll türmte.
Unser Guide erklärte uns, welche Gassen „sicher“ waren und welche auch er (als gebürtiger Woodstocker) nachts meidet. Auch während der Tour haben wir zwischendrin zur Hauptstraße zurückkehren müssen, da unser Rucksack und die Kameratasche die falsche Art Aufmerksamkeit anzogen. Manche folgten uns auch, bis eine Polizeistreife vorbeifuhr und schwupps waren sie im nächsten Hauseingang verschwunden. Diese Erfahrung hat ebenfalls dazu beigetragen, dass wir uns nie (auch nicht in „sicheren“ Vierteln) zu 100 % wohlgefühlt haben.
Fazit: Wie fanden wir es in Kapstadt? Lohnt sich eine Reise?
Die Reise durch Kapstadt war für uns zusammengefasst eine gemischte Erfahrung. Denn zum einen ist natürlich das Panorama mit dem Tafelberg, Signal Hill und Lions Head gewaltig. Und die Strände (z. B. Camps Bay oder Clifton Beach) sind ein absoluter Traum. Aber gerade dort und auch zum Beispiel an der V&A Waterfront hat man das Gefühl, in einer Parallelwelt zu sein. Denn die allgegenwärtige Armut und die Lebensumstände der Menschen in den Elendsvierteln, wie Hanover Park oder Stern Close, sind nicht ertragbar. Selbst in Bo-Kaap und Woodstock (beides aufstrebende Gegenden) sieht man die Zeichen der gigantischen Perspektivlosigkeit der überwiegend schwarzen Bevölkerung.
Wir sind uns bewusst, dass man als weißer Bürger eines Industriestaates generell privilegiert ist. Dass Menschen mit anderer Hautfarbe und Herkunft viele Probleme und Herausforderungen erleben, die uns nicht belasten. Aber bei unserem Besuch Kapstadts bekamen wir dies in so drastischer Art und Weise gezeigt, dass es uns täglich schockiert hat.
Die Lebensrealität vieler (gerade schwarzer) Südafrikaner in den Townships steht in so krassem Kontrast zu unserem gewohnten Leben, dass man sich geradezu schämt. Hier wird uns gezeigt, wie gut es uns geht im Vergleich zu anderen Menschen und wie wenig existenzielle Ängste wir alltäglich erleben müssen. Gleichzeitig empfinden wir aber auch eine enorme Dankbarkeit für unsere Privilegien, die uns hier wieder alles andere als normal erscheinen.
Und genau deswegen wollen wir uns mit solchen „unangenehmen“ Themen wie Armut, Kriminalität und Rassismus beschäftigen. Denn wir sollten solche lehrreichen Erlebnisse weitererzählen und nicht totschweigen. Deswegen finden wir, dass unser Kapstadt-Trip dennoch eine positive Erfahrung war.Kapstadt hält sowohl einem selbst als auch der Gesellschaft den Spiegel vor und zeigt unmissverständlich grundlegende Probleme auf.
Die Schere zwischen Arm und Reich, internalisierter und systemischer Rassismus, Kriminalität, Chancenungleichheit. Auf all das wirft Kapstadt ein Brennglas, wenn man gewillt ist hinzusehen.Dieses Hinsehen sollte man unserer Meinung nach auch auf die Gefahr hin tun, dass man dabei einen neuen und vielleicht unschönen Blick nach innen richten muss. Wer so weltoffen und selbstreflektiert ist, wird hier auf jeden Fall einiges zum Nachdenken bekommen.
Axel & Sue